Der Geruchssinn unserer Hunde aus wissenschaftlicher Sicht

 2004 ging der Nobelpreis für Physiologie/Medizin an Richard Axel und Linda B. Buck für die Entdeckung der Geruchsrezeptoren und den Aufbau des Geruchssystems im Jahre 1991. Als Hundeführer eines leidenschaftlichen Fährtensuchers wollte ich natürlich wissen, was man innerhalb der vergangenen 13 Jahre über den Geruchssinn unserer Hunde erforscht hat.

 Der Riechvorgang

Alle Geruchsstoffe, die hund (aber auch mensch) in die Nase bekommt, binden zunächst an sogenannte „Geruchsrezeptoren“, also Eiweißmoleküle, die ganz spezifisch nur solche Geruchsmoleküle erkennen, die aufgrund ihrer Struktur zum Eiweiß passen (Schlüssel-Schloß-Prinzip). D.h. für fast jeden Bestandteil eines Geruches gibt es eigene Rezeptoren. Diese Geruchsrezeptoren sitzen an der Oberfläche von Nervenzellen, von denen jede nur 1 Rezeptortyp besitzt, d.h. jede Nervenzelle wird nur durch eine bestimmte Geruchskomponente gereizt. Aktivierte Nervenzellen senden dann Impulse ins Gehirn zum sog. Bulbus olfactorius (Riechkolben), wo eine erste Trennung nach „verwandten Gerüchen“ erfolgt, also Impulse strukturell ähnlicher Geruchsbestandteile landen in derselben Region des Riechkolben. Diese Information wird dann gezielt an die Riechzentren weitergeleitet, wo Geruchsempfindungen mit anderen Sinnesempfindungen assoziiert werden. Dadurch kann der Hund (bzw. auch der Mensch) sich letztlich auch an Gerüche erinnern, d.h. sie erkennen bzw. Neues abspeichern und verknüpfen. Dieses System der gleichzeitigen gezielten Reizung verschiedener einzelner Nervenzellen durch Bestandteile des Geruches läßt im Gehirn Geruchsmuster entstehen, die es ermöglichen eine immense Vielfalt verschiedener Düfte zu erkennen und zuzuordnen. 

Warum ist die Geruchssensitivität von Hunden wesentlich größer als die des Menschen?

Dafür gibt es erstens anatomische Gründe: z.B. ist die Hundeschnauze deutlich größer als unsere Nase und der Hund verfügt gegenüber dem Menschen daher über ein 20-40mal so großes Riechepithel, das ist jenes Gewebe, das die für’s Riechen verantwortlichen Nervenzellen beheimatet. Außerdem haben Hunde eine größere Dichte der für’s Riechen verantwortlichen Nervenzellen und einen größeren Riechkolben als wir. Unzweifelhaft besitzen sie daher die Fähigkeit, Geruchsmoleküle in deutlich geringeren Konzentrationen zu detektieren. Aber es gibt auch genetische Ursachen: Während der Mensch nur ca. 900 Geruchsrezeptorgene exprimiert, ist das Genrepertoire von Hunden ca. 30% größer (geschätzte 1300 Gene, von denen bislang 838 charakterisiert sind). Darüber hinaus besteht das menschliche Riechgenom zu 63% aus Pseudogenen (wurden im Laufe der Evolution inaktiv), während jenes der Hunde nur 18% Pseudogene enthält. Im Klartext heißt das, dass Hunde über ca. 3mal so viele aktive Geruchsrezeptorgene verfügen wie wir Menschen und daher auch über ein größeres Spektrum detektierbarer Geruchskomponenten. Vermutlich gibt es außerdem noch Unterschiede in der Kompatibilität von Duftstoffen und ihren Rezeptoren zwischen Mensch und Hund, aber auch zwischen verschiedenen Hunderassen, wodurch letztlich auch die Intensität des weitergeleiteten Nervenimpulses ins Gehirn bestimmt wird.

Wissenschaftlich erforschte „Riechleistungen“ unserer Hunde

1. Medizin

Hypoglykämie: Hypoglykämie, also der sogenannte „Unterzucker“ bei Diabetikern, ist besonders gefährlich, da sie von den Patienten oft erst sehr spät oder gar nicht (im Schlaf) bemerkt wird und – unerkannt – zum Tod des Betroffenen führt. Im Jahr 2000 beschrieb eine wissenschaftliche Arbeit 3 Fälle in denen Hunde die hypoglykämischen Perioden ihrer Besitzer anzeigten, bevor diese selbst irgendwelche Symptome spürten. Tagsüber wurden die Hunde unruhig oder versteckten sich und beruhigten sich erst, wenn die Besitzer etwas gegessen hatten. Bei nächtlicher Hypoglykämie weckten 2 der 3 Hunde ihre Besitzer, die erst durch Messung ihres Blutzuckers die Unterzuckerung bemerkten, auf. 1 Hund brachte seinem Frauchen sogar die Lieblingsschokolade ans Bett. Noch ist nicht ganz geklärt, was genau die Hunde zu diesem Verhalten animierte, aber wahrscheinlich ist es eine Mischung aus dem veränderten Geruch der Besitzer und möglicherweise gesteigertem Muskeltremor.

Krebs: 1989 bzw. 2001 erschien je eine Fallstudie über Krebs detektierende Hunde in einer medizinischen Fachzeitschrift. Im 1. Fall wurde einer Patientin ein Muttermal entfernt, das deren Hund immer wieder beschnüffelt hatte und auch herausbeißen wollte. Es war ein Melanom. Im 2. Fall hatte ein Patient ein Ekzem am Oberschenkel, das in 18 Jahren auf ca. 2cm anwuchs. Der 1994 erworbene Labrador begann nach 5 Jahren das Ekzem häufig zu beschnüffeln und im Jahr 2000 wurde es entfernt. Diagnose: Basalzellkarzinom.

Gezielt trainierte 1997 als erster ein Hautarzt in Florida mit Hilfe von Operationsmaterial einen Schnauzer auf die Detektion von Melanomproben. Als der Hund mit einem Patienten konfrontiert wurde, der zahlreiche – vermutlich gutartige – Muttermale hatte, identifizierte George eines, das nach der Operation als Frühstadium von Hautkrebs erkannt wurde.

Die erste kontrollierte wissenschaftliche Studie über dieses Phänomen erschien jeoch erst kürzlich und zwar über Hunde, die Blasenkrebs aus dem Urin detektieren. In dieser wirklich durchdachten Arbeit wurden 6 Hunde verschiedener Rassen und unterschiedlichen Alters (1½-7 Jahre) 7 Monate darauf trainiert, den Urin von Blasenkrebspatienten anzuzeigen. Dabei mussten die Hunde lernen, den spezifischen Geruch, der durch den Krebs verursacht wird, von hunderten anderen Duftstoffen im Urin zu unterscheiden, ohne dass man sie zuvor auf den „reinen Krebsgeruch“ trainieren konnte. Die Hunde detektierten zu 41% tatsächlich den Urin von Blasenkrebspatienten. Naja, 41% klingt nicht so beeindruckend, allerdings haben es sich die Forscher in dieser Studie wirklich nicht leicht gemacht, denn den Hunden wurde nicht nur beigebracht, Urin von Blasenkrebspatienten von jenem gesunder Probanden zu unterscheiden, sondern auch von Urin mit Blut, von Urin von Patienten mit gutartigen Harnwegserkrankungen, sowie von Urin von Patienten mit diversen anderen Erkrankungen (u.a. Diabetes, multiple Sklerose, ...). Außerdem wurden die Proben so gewählt, dass sie die unterschiedlichsten Stadien und Schweregrade von Blasenkrebs repräsentierten. Das zeigte sich dann auch in den Resultaten, denn 1 Probe wurde von allen Hunden korrekt angezeigt, die meisten Proben von mehreren Hunden, 2 positive Proben jedoch wurden von keinem der Hunde erkannt. Während des Trainings (also vor der eigentlichen Testphase) ereignete sich aber noch etwas Bemerkenswertes: Alle 6 Hunde identifizierten eine Urinprobe, die von einem als gesund eingestuften Probanden stammte, bei dem nach weiteren Untersuchungen an der rechten Niere ein Nierenzellkarzinom im Frühstadium entdeckt wurde.

2. Suchhunde/Rettungshunde

Eine wissenschaftliche Arbeit aus dem Jahr 2003 untersuchte die Frage, welche Komponenten aus dem Gesamtgeruch in Drogen, Sprengstoffen und Leichen die Hunde tatsächlich detektieren. Kennt man diese Stoffe, kann man Trainingsdummies mit „Pseudogerüchen“ erzeugen, die ein risikofreies Hundetraining ermöglichen und die Trainingsphase deutlich verkürzen helfen, da der Hund mit dem „isolierten“ Duftstoff trainiert werden kann.

Drogen: Im Kokain detektieren Hunde offensichtlich Methylbenzoat, ein Zerfallsprodukt von Kokain. Ecstasy wird auf viele Arten synthetisiert und der Geruch der Endprodukte ist denkbar unterschiedlich. Daher versuchte man in der Gasphase über den Tabletten jene Komponenten herauszufinden, die in den meisten illegalen Proben zu finden sind (Essigsäure, Kampfer, Heliotropin, Isosafrol, Methamphetamin), um es Hunden durch gezieltes Training zu ermöglichen, im Einsatz möglichst viele Drogendealer/-besitzer zu identifizieren.

Sprengstoffe: Hier gestaltet sich das Training besonders schwierig, da die Hauptkomponenten in Sprengstoffmischungen oft sehr geringe Dampfdrucke haben bzw. nur sehr schlecht an die Geruchsrezeptoren binden, also kaum wahrnehmbar für die Hunde sind. Sonstiges Füllmaterial ist z.B. geruchsfreie Nitrozellulose, sowie dutzende aromatische organische Komponenten und Stabilisatoren. Noch schwieriger wird es, wenn es durch gemeinsame Lagerung verschiedener Sprenstoffe zur gegenseitigen Überlagerung spezifischer Düfte kommt. Der Geruch von TNT scheint hauptsächlich durch Aceton, Toluol und Limonen bestimmt zu sein, in C4 sind es Cyclohexanon und 2-Ethyl-1-hexanol.

Leichen: Durch den bakteriellen Abbau von Kohlenhydraten, Proteinen und Fetten, beginnt sich der menschliche Geruch sofort nach dem Tod zu verändern. Im Hundetraining verwendet man verwesendes menschliches Fleisch und Blut, das jedoch schlecht verfügbar ist und biologische Risken (Trainer!) birgt. Schweinefleisch eignet sich nicht, da Hunde zwischen menschlichen und tierischen Verwesungsgerüchen unterscheiden können. Die Hunde zeigen jedoch Cadaverin (Leichengift), Putrescin, Indol und Skatol gut an, die allesamt im Verwesungsgeruch zu finden sind.

3. Fährtenarbeit

Dass Hunde Fährten von Beutetieren oder Menschen auch nach langer Zeit und über weite Strecken verfolgen können, ist ja weitgehend bekannt, wenn auch kaum wissenschaftlich belegt. Eine der wenigen kontrollierten wissenschaftlichen Studien darüber beschäftigte sich mit der Frage, wie sich Hunde verhalten, um eine Fährte in der richtigen Richtung zu verfolgen. Dazu wurden gut trainierte Fährtenhunde im rechten Winkel an eine Fährte herangeführt, ihre Bewegungen auf Video und ihre Atem- und Schnüffelgeräusche auf Tonband aufgenommen. Wenn die Hunde auf die Fährte trafen, hielten sie einen Moment an und suchten in 8 von 9 Fällen in jener Richtung weiter, wo sie beim vorangegangenen Versuch Erfolg hatten. Dabei reduzierten die Hunde ihre Schrittgeschwindigkeit um 1/3 und steigerten die Dauer des Schnüffelns zwischen zwei Atemzügen auf das 3-fache. Wenn die ursprünglich eingeschlagene Richtung falsch war, wendeten die Hunde abrupt und verfolgten die Spur in entgegengesetzter Richtung wieder schneller und mit reduzierter Schnüffelphase. Die Entscheidungsphase bis die Hunde die richtige Richtung herausfanden dauerte nur 2-5 Schritte egal ob auf Gras oder Beton! Da der Fährtenleger seine Schritte im Sekundentakt gemacht hatte, bedeutet das, dass die Hunde zwischen der Intensität zweier Fußstapfen unterscheiden konnten, die 20 Minuten (Gras) bzw. 3 Minuten (Beton) zuvor im Abstand von 1 bis maximal 4 Sekunden gesetzt worden waren. Übrigens verfolgten alle Hunde in allen Versuchen die Fährte in die richtige Richtung, also so, wie der Fährtenleger sie gelegt hatte.

 Trotz dieser wirklich beeindruckenden Artikel finde ich es erstaunlich, dass es relativ wenige wissenschaftliche Arbeiten über die Geruchsleistungen unserer Vierbeiner gibt. Und das obwohl die Hundenase sowohl sportlich (Fährtenarbeit) als auch dienstlich (Detektion von landwirtschaftlichen Importprodukten, Brandbeschleunigern, flüchtenden Verdächtigen, Lawinenopfern, Drogen, austretenden Gasen, Vermissten, Schädlingen, Schimmelpilzen, ...) routinemäßig im Dauereinsatz ist.

 Quellennachweis:

Issel-Tarver L, Rine J: Organization and expression of canine olfactory receptor genes. Proceedings of the National Acadademy of Sciences USA 93: 10897-10902, 1996

Quignon P, Kirkness E, Cadieu E, Touleimat N, Guyon R, Renier C, Hitte C, André C, Fraser C, Galibert F: Comparison of the canine and human olfactory receptor gene repertoires. Genome Biology 4: R80.1-9, 2003

Chen M: Non-invasive detection of hypoglycaemia using a novel, fully biocompatible and patient friendly alarm system. British Medical Journal 321: 1565-1566, 2000

Williams H, Pembroke A: Sniffer dogs in the melanoma clinic. Lancet 1: 734, 1989

Church J, Williams H: Another sniffer dog for the clinic. Lancet 358: 930, 2001

Willis CM, Church SM, Guest CM, Cook A, McCarthy N, Bransbury AJ, Church MRT, Church JCT: Olfactory detection of human bladder cancer by dogs: proof of principle study. British Medical Journal 329: 712, 2004

Lorenzo N, Wan TL, Harper RJ, Hsu Y-L, Chow M, Rose S, Furton KG: Laboratory and field experiments used to identify Canis lupus var. familiaris active odor signature chemicals from drugs, explosives, and humans. Analytical and Bioanalytical Chemistry 376: 1212-1224, 2003

Thesen A, Steen JB, Døving: Behaviour of dogs during olfactory tracking. Journal of Experimental Biology 180: 247-251, 1993

 

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