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Seminar mit Turid Rugaas (Norwegen) 18.-19.6.2005
Hunde verfügen neben ihrer Körpersprache (z.B. Beschwichtigungssignale) über eine ganze Menge an Kommunikationsstrategien, u.a. eben auch über die Möglichkeit zu Lautäußerungen, wie z.B. winseln, heulen, bellen, knurren, ... Und stimmliche Äußerungen von Hunden haben auch immer irgendeine Bedeutung: z.B.: - Winseln stellt die 1. Lautäußerung des Welpen dar, versichert ihn der Wärme der Mutterhündin und verschafft ihm Nahrung. Ein erwachsener Hund, der winselt, hat ganz ähnliche Intensionen, also immer mal nachsehen, was da los ist! - Heulen ist ein Ausdruck, um mit anderen (z.B. Mitgliedern einer sozialen Gruppe) in Kontakt zu kommen. Es tritt vermehrt auf, um z.B. eine Hündin anzulocken, wenn der Rüde keine Möglichkeit hat, selbstständig mit ihr in Kontakt zu treten; um den Hundeführer herzulocken, wenn der Hund irgendwo angehängt ist; bei Trennungsangst; und es hat einen betäubenden / hypnotisierenden Effekt. [Praktischer Nutzen: Turid Rugaas hatte mal 2 „freiheitsliebende“ Hündinnen und benutzte ihren Rüden dazu, sie zurückzuholen, indem sie in zum Heulen brachte.] - Knurren und Zähnefletschen bedeutet: du kommst mir zu nahe, geh besser weg! - Warnbellen, also ein einmaliges „Wuffen“ soll eine soziale Gruppe oder ein Rudel auf drohende oder potentielle Gefahr hinweisen. Bezeichnend für diese Art des Bellens ist außerdem, dass nur ein Hund pro Gruppe warnt. Generell spiegelt Bellen als Form des hundlichen Ausdrucksverhaltens die Emotionen unserer Vierbeiner wieder, z.B. Wut, Gereiztheit, Stress, aber natürlich auch Freude. Das heißt aber, dass wir es unseren Hunden auch zugestehen müssen, sich mittels ihrer Stimme äußern zu dürfen und nicht generell jede Form der Lautäußerung unterbinden dürfen. Tatsache bleibt jedoch, dass es für alles „Grenzen“ gibt und dass das Bellverhalten mancher Hunde eindeutig über das „normale“ Maß hinausgeht, also zu oft, zu laut, nicht der Situation angepasst, ... auftritt. Wichtig ist es dennoch zu verstehen, dass es kein „Bellproblem“ per se gibt!!! Man muss also die Problemlösung immer ganzheitlich angehen und dabei Instinkte, Verhalten, Kommunikation, Umwelteinflüsse, Interaktionen und ev. auch gesundheitliche Probleme berücksichtigen!!! Und natürlich hat auch die Hunderasse einen Einfluss, da im Zuge der Selektion auch das Bellverhalten bestimmten Zwecken angepasst wurde (Spitz und Islandhund wurden in der weiten und einsamen Umgebung aus der sie stammen als Hof- und Feldwächter eingesetzt und mussten dort „Besuch“ ankündigen, was in einer Stadtwohnung sehr schnell zum Megaproblem werden kann; Jagdhunde sollen Laut geben, um dem Jäger ihre Position mitzuteilen – normalerweise würden Hunde während der Jagd nicht bellen). Der erste Ansatz zur Problemlösung ist, nicht einfach das Bellen als „Symptom“ abstellen, sondern zunächst einmal herauszufinden, um welche Art des Bellens es sich handelt! Im Klartext muss man also zunächst zuhören, den Hund beobachten und herausfinden, warum bzw. zu welchem Zweck der Hund seine Stimme einsetzt. Kennt man dir Ursache des Bellens, kann man sich daran machen, es ev. zu reduzieren. Wird generell jede Lautäußerung des Hundes abgestellt, resultieren daraus immer noch gravierendere Probleme bis hin zu selbst zerstörerischem Verhalten des Hundes. Generell unterscheidet man 5 verschiedene Arten von „Problem“ - Bellen: Angstbellen, erlerntes Bellen, Verteidigungsbellen, Aufregungsbellen und Frustrationsbellen! Oftmals treten auch Mischformen auf, je nach den auslösenden Emotionen – z.B. Angst + Aufregung! 1. Angstbellen:
Laut-Bild:
Ursache: Da Hunde, wie alle anderen Lebewesen, von Natur aus sehr neugierig sind, ist es meist die Schuld des Hundeführers / Besitzers, wenn sein Hund Angst hat!!! Darunter fallen z.B. starkes bedrängt werden (in Welpenspielgruppen); Mobbing unter Hunden; kurze Leine, die dem Hund die Möglichkeit nimmt, auszuweichen, wenn er sich bedrängt fühlt; Leinenruck, wenn ein anderer Hund (Jogger, Kind, Radfahrer, ...) auf der Bildfläche erscheint; ....... Nimmt man dann erste Anzeichen von Stress (Beschwichtigungssignale, ...) nicht wahr oder zur Kenntnis und REAGIERT nicht RICHTIG darauf, beginnt die Situation irgendwann zu eskalieren, da der Hund dann ins Warn- (Warnbellen < Knurren < Zähne fletschen < drohende Körperhaltung) und schließlich ins Angriffsverhalten (Schnappen < Beißen) gedrängt wird!!!
Abhilfe: - Den Hund aus der konkreten Angstsituation herausholen (bei Phobien ganz besonders dringend).
-
Mit dem Hund ein
Desensibilisierungsprogramm durchzuführen, damit er lernt, mit der furchtauslösenden Situation umzugehen.
- Dem Hund ein Verhalten
antrainieren, das mit dem Bellen nicht vereinbar ist. - Dem Hund ein „folge mir“ - Kommando beibringen, sodass man sich einfach umdrehen und aus der Situation rausgehen kann, wobei der Hund ganz automatisch mitgeht! D.h. man verknüpft gezielt ein interessantes Geräusch, z.B. ein Zungenschnalzen oder ein Fingerschnipsen mit einer Richtungsänderung und bestätigt den Hund sofort, wenn er mitkommt. Das Training wird wie immer in reizarmer Umgebung begonnen und dann so aufgebaut, dass es auch unter massivsten Ablenkungen verlässlich klappt.
- Splitten, also sich selbst
zwischen den Angstauslöser und den Hund wortlos und ohne den Hund anzusehen
hinein schieben und den Hund dadurch aus dem Sichtbereich bringen. - Bei Angst vor Feuerwerk oder Gewitter: Es hilft dem Hund zunächst, wenn er selbst entscheiden kann, wo er sich aufhalten möchte (Badezimmer, Kasten, unter einer Decke, ...). Pheromonstecker (setzen Pheromone [= in extrem geringen Konzentration wirkende Signalduftstoffe] frei, wenn sie an die Steckdose angesteckt werden) können beruhigend wirken, ohne zu schaden! - Den Hund gegen typische Angstauslöser sozusagen „impfen“, also bereits den Welpen graduell unterschiedlichsten Geräuschen, Umweltsituationen, Menschen, Hunden, ... aussetzen, ohne ihn zu überfordern oder gar zu schocken!!!
Was sicher nicht hilft: - Der Einsatz von sogenannten „Anti-Bellhalsbändern“, die dem Hund z.B. Zitronenaroma (Master Plus) oder sogar Elektroschocks (Elektroreizgeräte) verpassen. Denn dadurch wird der Hund wohl kaum weniger Angst bekommen. Man stellt zwar vielleicht! das Bellen ab, aber der Hund wird dann in ein anderes „Problemverhalten“ gedrängt und die Folgen sind nicht abschätzbar!!! - Dem Hund Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen. Jedes Ansprechen, Anschauen, Berühren, Anlächeln, etc. wirkt bestätigend auf den Hund und fördert seine Angst. Angstbellen beginnt üblicherweise langsam (Ausnahme: plötzliche Angstauslöser, wie Knall, ...). Der Hund zeigt vermehrt Spannung, ev. Winseln ® sofort reagieren, aber richtig (siehe oben)!!! 2. Erlerntes Bellen:
Laut-Bild:
Ursache: Im Klartext heißt das, dass der Hundeführer / Besitzer in Situationen, in denen der Hund gebellt hatte, dem Hund Aufmerksamkeit schenkte, indem er ihn ansprach, anschrie, ansah oder womöglich auch bestrafte. Dadurch lernte der Hund: „Oh, wenn ich belle, erhalte ich automatisch die volle Aufmerksamkeit meines Besitzers!!!“
Abhilfe:
- Situationen, in denen der Hund
gelernt hat, zu bellen müssen zunächst konsequent vermieden werden.
- Der Hundeführer / Besitzer muss
Verantwortung übernehmen. - Dem Hund wird alternatives (erwünschtes) Verhalten antrainiert.
Was sicher nicht hilft: - Den Hund anschreien (gemeinsames Bellen mit Frauchen / Herrchen wirkt sehr stimulierend) - Keine Art von „hör auf“ - Kommando geben, wie z.B. „nein“ oder „aus“ - Den Hund keinesfalls zurückziehen bzw. an der Leine rucken
- Den Hund mit Leckerli belohnen,
wenn er zu bellen aufhört, denn damit erzeugt man u.U. Verhaltensketten, d.h.
der Hund wird bald schon alleine deshalb zu bellen beginnen, um ein Leckerli zu
bekommen, wenn er wieder damit aufhört 3. Verteidigungsbellen:
Laut-Bild:
Ursache: Verteidigungsverhalten ist z.B. rasseabhängig ([Herden] Schutzhunde) oder geschieht aus unterschiedlichster Motivation heraus, wie Territorialverhalten, Selbstverteidigung, Futteraggression, Beuteaggression, Angewohnheit, ...
Abhilfe: - Der Hundeführer sollte stets darauf bedacht sein, Provokationen zu vermeiden.
- Der Hundeführer muss
Verantwortung übernehmen (siehe auch weiter oben)
- Der Hundeführer sollte seinen
Hund nicht in eine „Bewacherposition“ manövrieren. 4. Aufregungsbellen:
Laut-Bild:
Ursache: Gründe dafür sind bestimmte Aktivitäten und Erwartungen, wie z.B. einen Freund zu treffen, spazieren zu gehen, Spaß haben, Katzen begegnen, … Werden solche Erwartungshaltungen noch angekurbelt („Wo ist die Mieze???“) kann das sehr leicht in Überreaktionen resultieren.
Abhilfe: - Selbstkontrolle des Hundeführers ist eine der wichtigsten Voraussetzungen. Der Hundeführer sollte stets ruhig und besonnen handeln, um den Hund nicht noch mehr aufzuregen oder durch „Korrekturmaßnahmen“ noch mehr zu stressen.
- Der Hund bekommt mit dem Alter
automatisch mehr Selbstkontrolle. Selbstkontrolle kann jedoch auch gezielt
trainiert werden. 5. Frustrationsbellen:
Laut-Bild:
Ursache: Diese Art des Bellens ist sehr ernst zu nehmen, da es bedeutet, dass der Hund mit seiner Situation absolut nicht mehr zurechtkommt. Die Monotonie / Stereotypie verbessert das Wohlbefinden des Hundes, entspannt ihn und versetzt ihn in eine Art Trance (vgl. Endorphinausschüttung). Oft betroffen sind Ketten- oder Zwingerhunde. Frustrationsbellen kann auch von anderen stereotypen Verhaltensformen begleitet werden: Wundlecken, -beißen, Graben, Kreisen, Herumwandern
Abhilfe: - Man muss herausfinden, was der Hund braucht: Also: die gesamte Lebenssituation sollte für den Hund verbessert werden. D.h. der Hund sollte mit seinem Menschen zusammenleben dürfen, der Besitzer sollte sich mit dem Hund beschäftigen (spazieren gehen, …), …
Was sicher nicht hilft:
Fragen an den Hundeführer / Besitzer: Beobachten sie, wie andere Hunde auf ihren Hund reagieren – Hunde wissen genau, was andere Hunde ihnen „sagen“ wollen und werden daher auch ihnen vermitteln, was Sache ist. |