1. Hilfe beim Hund
Ein Vortrag von Tierärztin Franziska Schwillinski

 

Was gehört in jede Hausapotheke für Hunde?
Zeckenzange, Fieberthermometer (am besten digital, da weniger bruchanfällig), Schere mit abgerundeten Spitzen, Pinzette, Wundauflagen, Polsterwatte, Mullbinden, Desinfektionsmittel, Leukoplast, eventuell: Kochsalzlösung, Pfotenschoner, Taschenlampe

Für Auslandsreisen zusätzlich: Breitbandantibiotikum, Schmerzmittel, Paspertintropfen, Kohletabletten, Enteroferment, Zecken- und Mückenschutz (beim Tierarzt besorgen - z.B. Calibor - da rezeptpflichtige Bestandteile besser wirken, als die ätherischen Öle der herkömmlichen Präparate), antibiotische Augentropfen, Ohrentropfen

Wie verabreicht man Medikamente?
Tropfen werden in eine Spritze aufgezogen und bei angehobenem Kopf tief seitlich in die Lefzentasche gespritzt; Tabletten schiebt man zur Auslösung des Schluckreflexes möglichst weit nach hinten an den Zungengrund (ev. mit Applikator) oder man löst sie auf und verabreicht sie wie Tropfen; Augentropfen bzw. –salbe werden direkt in den Lidsack appliziert

Wie verhält man sich richtig im Notfall?
Um koordiniert handeln zu können muss man v.a. Ruhe bewahren. Man sichert zuerst den Unfallort, führt dann eine Notfalluntersuchung durch, leistet 1. Hilfe, um den Hund zu stabilisieren und transportfähig zu machen und transportiert den Hund schließlich zum Tierarzt.

Vor der Untersuchung sollte man dem Hund auf jeden Fall einen Beißschutz anlegen, da man sich nicht darauf verlassen kann, dass der Hund nicht zubeißt, wenn er große Schmerzen hat. Dazu legt man entweder einen Beißkorb an, oder man legt eine so genannte Maulbinde an: Dazu streift man eine vorgeformte Schlinge eines breiten Bandes über die Hundenase, zieht den Knoten über dem Nasenrücken fest, führt die Bänder unter die Schnauze, macht dort ebenfalls einen Knoten und führt die Bänder schließlich hinter die Ohren, wo die Maulbinde verknotet wird. Dabei sollte man immer darauf achten, dass der Hund gut atmen kann, besonders, fall seine Atmung durch Verletzung bereits eingeschränkt ist.

Zur Fixierung/Ruhigstellung des Hundes stellt man sich hinter den Rücken des liegenden Hundes, greift über den Hund und hält das untere Beinpaar fest. Dabei fixiert man den Hund zusätzlich mit einem Arm über dem Hals und mit dem 2. Arm über der Hüfte.

Was wird in der Notfalluntersuchung abgeklärt?

Atmung: Die normale Atemfrequenz beträgt 10-40 Atemzüge/Minute bei regelmäßigem Rhythmus und ist vom Typus her eine sog. Brustatmung. Man überprüft auch die Atemtiefe (vertieft oder oberflächlich) und die Schleimhautfarbe (an der Conjunktiva - Lidbindehaut, Lefze oder Zunge). Sind die oberen Atemwege verlegt, zeigt der Hund Atemnot beim Einatmen, hat ein offenes Maul, weite Nasenöffnungen, streckt den Kopf und macht lange und tiefe Atemzüge. Bei Beeinträchtigungen der unteren Atemwege presst er mit dem Bauch und atmet tief. Einen Pneumothorax/Hämothorax (mit Luft oder Blut gefüllter Brustkorb) erkennt man an der flachen Atmung, bei geringer Bewegung des Brustkorbes. Ist das Zentralnervensystem gestört findet man Rhythmusstörungen und Schnappatmung.

Bewusstsein: Ist der Hund ansprechbar? Längere Bewusstlosigkeit lässt auf ein Schädel-Hirntrauma schließen. Die Pupillen werden 20 Sekunden nach dem Herzstillstand lichtstarr und weit – daher kontrolliert man die Größe und die Reaktion der Pupillen auf Licht (Taschenlampe).

C Kreislauf:

Puls: Zur Messung des Pulses sucht man die Arteria femoralis indem man mit den Fingerspitzen die innere Oberfläche des Oberschenkels direkt unter dem Hüftgelenk abtastet bis man eine „Röhre“ spürt. Man misst den Puls nie mit dem Daumen, da man sonst seinen eigenen Puls spürt!!! Ist der Puls tastbar, bedeutet das, dass der Blutdruck OK. ist.

Herzfrequenz: 80-120 Schläge/Minute, kleine Hunde: 100-170 Schläge/Minute, Welpen bis 220 Schläge/Minute. Eine erhöhte Pulsfrequenz findet man bei Stress, Fieber, Blutverlust, Herzerkrankungen, während eine verringerte Pulsfrequenz auf eine Vergiftung, ein Schädel-Hirntrauma oder Unterkühlung schließen lässt.

Kapillarfüllungszeit: Wenn man 1-2 Sekunden fest auf die Lefzenschleimhaut drückt und dann loslässt, verfärbt sich die Schleimhaut in 1-2 Sekunden wieder von weiß auf rosa. Die Kapillarfüllungszeit ist erhöht bei Schock (da die peripheren Gefäße verengt sind), Schmerzen oder Vergiftungen. Verringert ist sie bei Sepsis.

Schleimhautfarbe: Die Schleimhäute sind normalerweise blass rosa. Bei Schock, Schmerzen, Blutverlust und Anämie werden die Schleimhäute weiß, bei Blutvergiftung, Hitzschlag werden sie rot.

Akutes Kreislaufversagen erkennt man an Kälte der Körperoberfläche und Extremitäten, Bewusstseinstrübung oder –verlust, Schnappatmung, Atemstillstand, blass-blau verfärbten Schleimhäuten, gesteigerter Kapillarfüllungszeit und es ist kein tastbarer Puls vorhanden (Blutdruckabfall).

Schädel-Hirntrauma ist gekennzeichnet durch Seitenlage des Hundes, Bewusstlosigkeit, der Kopf wird überstreckt, die Vorderbeine sind starr und gestreckt, die Pupillenbewegung ist unruhig, der Hund blutet aus Ohren und Nase und hat eine arhytmische Atmung.

Welche lebensrettenden Sofortmaßnahmen kann man durchführen?

Atemstillstand:
Man überprüft, ob die Atemwege frei sind, indem man die Zunge hervorzieht und räumt gegebenenfalls die Mundhöhle aus (Erbrochenes, Schleim, Ball, ...)
Beginnt der Hund dann nicht spontan zu atmen, führt man eine Mund-zu-Nase-Beatmung durch, indem man den Kopf überstreckt, das Maul zuhält (sonst entweicht die eingeblasene Luft sofort wieder), den Mund auf die Nasenlöcher des Hundes aufsetzt und kräftig und konstant Luft einbläst. Zur Kontrolle beobachtet man dabei den Brustkorb, der sich heben und senken muss.
Rhythmus: 2x beatmen – Atmung kontrollieren – 2x beatmen ...

Herzstillstand:
Ist kein Puls bzw. Herzschlag fühlbar, führt man eine Herzmassage durch (Vorsicht: Wenn der Hund atmet, hat er de facto sicher auch einen Puls!!!)
Dazu bringt man den Hund in rechte Seitenlage und massiert das Herz folgendermaßen: Bei kleinen Hunden legt man 1 Hand auf die Wirbelsäule (Gegendruck), die 2. Hand umgreift das Brustbein und presst kräftig. Bei großen Hunden kommt 1 Hand unter die Brust, der Handballen der 2. Hand drückt von oben auf den Brustkorb. Hunde mit sehr rundem Körper dreht man auf den Rücken und führt die Herzmassage wie beim Menschen durch.

Rhythmus: 20x Herzmassage – 2x beatmen – das Ganze 4x!!!

Heimlichmanöver: Um einen Fremdkörper zu entfernen wird der Hund auf den Rücken gedreht und man drück von unten gegen das Zwerchfell.

Verletzungen von Skelett und Weichteilen, wie Blutungen, Wunden, Brüche, Lahmheiten, Schwellungen, Wirbelsäulenverletzungen (gekennzeichnet durch Seitenlage), Lähmungen (fehlende Tiefensensibilität wird durch Zwicken überprüft) werden beurteilt.

Zur Wundreinigung verwendet man am besten klares Wasser und legt danach einen Verband an. Extremitäten müssen immer bis zur Pfote hin eingebunden werden, sonst schwillt die Pfote durch Stauung stark an („Löwenpfote“). In alle Zehenzwischenräume (auch bei der „Daumenzehe“) gibt man zuvor Watte (Zehenpolster). Eine Fixierung des Verbandes kann durch Röllchen aus Tesa erfolgen und durch Anlegen eines sog. „Steigbügels“. Die Verletzung wird dick gepolstert und mit Mullbinde und Kohäsivbinde umwickelt.

Bei bedrohlichen Blutungen muss man einen Druckverband anlegen. Dazu bringt man zuerst eine saubere Wundauflage an, darauf legt man einen „harten“ Gegenstand (z.B. ein Feuerzeug) und umwickelt das Ganze mit einem Tuch (z.B. Halstuch). NICHT ABBINDEN (Gewebenekrose)!!!

Offene Brüche deckt man mit einem feuchten, lockeren Verband ab und dreht den Hund auf die unverletzte Seite. Den Bruch nicht fixieren und den Hund warm halten!

Fiebermessen erfolgt rektal, wobei die Körpertemperatur normalerweise 38,3-39°C beträgt.

Um die Hautelastizität zu überprüfen, zieht man die Haut zwischen den Schulterblättern hoch. Lässt man los, darf sie nicht stehen bleiben, sondern muss praktisch sofort „zurückschnalzen“, sonst ist der Hund dehydriert.

Wie transportiert man den verletzten Hund ideal zum Tierarzt?

Bahre: Bei Verletzungen der Wirbelsäule und des Beckens wird der Hund am besten auf einem Brett oder einer gut gespannten Decke transportiert.

Tragen: Verletzte Körperteile sollen immer von der tragenden Person abgewandt sein und verletzte Gliedmaßen sollen frei hängen. Eine Hand hält den Hund unter dem Becken und die 2. Hand unter der Brust oder eine Hand kommt unter den Bauch und die 2. Hand unter die Brust.

Bewusstlose Tiere bringt man in Seitenlage.

Bei Kreislaufproblemen lagert man den hinteren Körper erhöht.

Bei Atemnot lagert man den vorderen Körper erhöht.

Soforthilfe bei Magendrehung:

Durch Drehung des Magens um die eigene Achse kommt es zum gleichzeitigen Verschluss von Speiseröhre und Zwölffingerdarm. Der Hund bekommt einen Blähbauch, versucht zu erbrechen, ist unruhig und ängstlich, leidet unter Atemnot, Schock und Kreislaufkollaps. Einzige Maßnahme: SOFORT OPERIEREN!!!

Soforthilfe bei Hitzschlag:

Beim Hund ist der Wärmeaustausch generell schlechter als beim Menschen. Ein Hitzschlag tritt bei einer anhaltenden Körperinnentemperatur von über 41°C auf. Ursache ist meist Hitze im Auto (immer bedenken, dass sich der Stand der Sonne relativ rasch verändert!!!) oder zuviel Bewegung. Die Symptome eines Hitzschlages sind erhöhter Puls, Koma, starkes Hecheln, Speicheln, Austrocknung, Kreislaufprobleme, Durchfall, Erbrechen. Zur Behandlung sollte man den Hund KÜHLEN!!! Mit der Kühlung beginnt man an den Beinen und dehnt sie sukzessive über den ganzen Körper aus. Dazu macht man den Hund am besten nass oder bedeckt ihn z.B. mit Tüchern auf die man Eisbeutel oder Kühlakkus legt. Außerdem bietet man dem Hund viele kleine Rationen Wasser an.

Was tun bei Vergiftungen?

Man bringt den Hund auf alle Fälle zum Tierarzt!!! Im Idealfall gibt man an um welches und um wie viel Gift es sich handelt, wie und wann es in den Körper gelangte (gefressen, Hautkontakt) und welche Symptome bisher auftraten.

Eventuell kann man Aktivkohle verabreichen, aber man benötigt 1-2,5g/kg Körpergewicht – das ist auf Grund des geringen spezifischen Gewichtes der Aktivkohle bei großen Hunden kaum machbar!!! Man verabreicht niemals Milch und löst NIE Erbrechen aus!!!

Bei Hautkontakt mit dem Gift ist es oft besser, den Hund zu scheren (Vorsicht: den Hund dabei nicht verletzen oder ritzen) als zu waschen (wasserlösliche Gifte mit Wasser abwaschen, fettlösliche Gifte mittels Speiseöl entfernen). Augen müssen extrem gut gespült werden!!!

Rattengift ist ein Vitamin K Antagonist und greift in die Blutgerinnungskaskade ein. Symptome: Nach 2-3 Tagen treten Blutergüssen, Blutungen aus allen Körperöffnungen, blutiger Harn, Blutungen in Körperhöhlen, Atemnot auf. Therapie: hoch dosiert Vitamin K, Bluttransfusion.

Carbamate sind in Insektiziden enthalten – Vorsicht bei lila-rosa Brocken im Feld (zur Entfernung selbst Handschuhe anziehen). Symptome: Nach Minuten – Stunden kommt es zum Speicheln, Veränderungen der Pupillen, Erbrechen, Husten, verlangsamtem Herzschlag, schwankendem Gang, Krämpfen und Lähmungen. Antidot: Antropinsulfat.

Frostschutzmittel (Ethylenglykol): Symptome: Nach Minuten – Stunden treten Müdigkeit, Erbrechen, Ataxie, Krämpfe, Nierenversagen ein. Therapie: Ethanol-, Glukose- und Kochsalzinfusion. Prognose: Schlecht.

Schneckenkorn: Symptome: nach 30-60 Minuten kommt es zu Speicheln, Erbrechen, Durchfall, Nachhandlähmung. Therapie: Tierkohle.

Pflanzen sind meist nicht lethal. Symptome: Entzündungen der Haut und Schleimhäute, Brechdurchfall, Kreislaufversagen.

Wichtige Reisekrankheiten:

Babseiose: Vorkommen: v.a. im Mittelmeerraum und in Osteuropa, aber auch in Süddeutschland; Vektor: Zecken; Inkubationszeit: 10 Tage – 3 Wochen; es kommt zur Hämolyse, also der Zerstörung der Erythrozyten (roten Blutkörperchen); Symptome: Mattigkeit, Fieber, Schwäche, blasse Schleimhäute, rot-grünbrauner Harn, Nierenversagen, Gelbsucht, Ödeme, punktförmige Blutungen an den Schleimhäuten; Diagnose: Blutausstrich aus der Ohrrandvene; Prophylaxe: Impfung (Pirodeg), Chemoprophylaxe

Leishmaniose: Vorkommen: Mittelmeerraum, Frankreich, Süddeutschland, Schweiz, Osteuropa, Österreich; Vektor: Sandmücken (v.a. in der Dämmerung) bzw. Wundsekrete anderer Hunde; Zoonose (d.h. auf Menschen übertragbar!); Inkubationszeit: 2-7 Monate – Jahre; Symptome: Leishmanien befallen die weißen Blutkörperchen im Knochenmark und schädigen besonders Leber, Milz und Nieren. Die Sympote sind vage, unspezifisch und treten oft schubweise auf: Lethargie, gelichtetes Haarkleid, Fieberschübe, Nasenbluten, Abmagerung, Leber- und Milzveränderungen, Glomerulonephritis, Durchfall, Vergrößerung der Lymphknoten; Nachweis: Titerbestimmung ist bereits vor dem Auftreten von Symptomen möglich, chronische, nicht juckende Dermatitis, Haarausfall um Augen und Nase (=Brille), große und fettige Schuppen; Therapie: Allopurinol (oft lebenslang); unbehandelt versterben 90% der Hunde innerhalb eines Jahres an Niereninsuffizienz

Ehrlichiose: Vorkommen: überall in Europa, besonders im Süden und Osten; Vektor: Zecken; Zoonose; Inkubationszeit: 8-20 Tage; Symptome: Befall der weißen Blutkörperchen und Endothelien (innerste Zellschicht der Blutgefäße), es kommt zu Vaskulitis (Entzündungen der Gefäße) und Blutungen, Fieberschübe, Müdigkeit, geschwollene Lymphknoten, Nasen- und Augenausfluss, Hirnhautreizung, Nasenbluten, punkt- und fleckförmige Blutungen; Therapie: Tetracykline

Dirofilariose: Vorkommen: USA, Mittelmeerraum; Vektor: Stechmücken, Zecken, Flöhe; Übertragung auch im Mutterleib auf die Welpen; Symptome: Würmer im rechten Herzen und in den Pulmonalarterien, Leistungsabfall, Husten, Kurzatmigkeit, Stauungserscheinungen; Therapie: erwachsene Würmer mit Imiticide, Larven mit Ivomec; Prophylaxe: Ivomec bereits vor dem Urlaub, Selamectin (spot on)

 

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